PREDIGT ZUM 2. SONNTAG DER OSTERZEIT

Schwestern und Brüder im Herrn,

Wieso schimpft Jesus den zweifelnden Thomas eigentlich nicht: Hättest Du von Anfang an geglaubt, dann hättest du es dir sparen können, mich begreifen zu müssen. Warum brauchst du das unbedingt, den Finger in meine Seite legen, bist du so sensationshungrig?

Nun ich denke, Jesus hat Thomas nicht geschimpft, weil er doch nichts Falsches gemacht hat, zumindest aus menschlicher Sicht. Er ist neugierig, er will die Dinge wissen. Er will begreifen. Und als er Jesus begreift, da begreift er tatsächlich. Bzw.: Er wagt es zu glauben.

Der Glaube soll kognitiv durchdacht sein – das ist unsere westliche große Tradition seit dem Mittelalter, daneben bleibt der Glaube aber eben auch letztlich ein Wagnis (glauben muss Thomas schon selber) – ich muss hineinspringen in den großen Raum der Botschaft Jesu – manches Erlebnis wird mich auch dazu beflügeln können – Glaube ist also auch ein Geschenk aus der Erziehung und dem Umfeld – letztlich aber ein Geschenk Gottes. Jesus tritt auf Thomas zu – so tut er das bei jedem, der glauben kann und möchte. Und dann lernen wir eben von da aus die Fakten zu sehen, dann eben in einem anderen Licht – als Schöpfung, als Welt, die einen Himmel und ewiges Leben kennt. Und dann bekommt man natürlich auch ein anderes Menschenbild – der Mensch als Abbild Gottes, der in jeder seiner Lebensfasen ein unverfügbares Recht auf Leben hat – über den Tod hinaus.

Es ist großartig, wie sehr wir uns in diesen Tagen alle zusammen bemühen, das Recht auf Leben der anderen, vor allem der Älteren zu schützen – denn fast 5000 Menschen sind der Pandemie zum Opfer gefallen. Die Anstrengungen sind also gut und richtig – und Gott sei Dank leben wir in Bayern, wo wirklich mit Maß und Ziel nach Strategien eines Exit gesucht wird – transparent und nachvollziehbar.

Die Aufgabe von uns als Kirche ist es zu allen Zeiten auch immer wieder in der Gesellschaft hinzuschauen, ob die Dinge im Sinne der Botschaft Jesu recht sind, mit dem Gebot der Nächstenliebe vereinbar. Das kann man derzeit im Blick auf die Pandemieeindämmung mit einem glatten Ja beantworten. Außer ein paar Unvernünftige vielleicht. Interessant wird es dann noch mehr, wenn man sich die Frage stellt, ob wir als christliche/westliche Gesellschaft für alle Menschen die gleiche Solidarität aufbringen und in gleicher Weise bereit sind Opfer zu bringen, uns einzusetzen für das Leben aller. Es ist mir absolut klar, daß das jetzt politisch unkorrekt ist – aber wie schön wäre es, wenn das zwischenmenschliche Engagement dieser Tage mit seinem Verständnis und seiner Opferbereitschaft weitergehen würde – zeitlich und räumlich – wenn wir weiter so achtsam handeln würden wie jetzt, gäbe es dann in unserem Land in den nächsten drei Jahren wieder 10.000 Tote im Straßenverkehr wie in den letzten drei Jahren – würde uns nicht die Rücksicht gemahnen den Fuß vom Gaspedal zu nehmen, lange Strecken mit der Bahn zu fahren? Und wenn wir zusammen als Europäer so achtsam weiter lebten mit einer neuen Politik für wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den armen Ländern so wie wir jetzt Milliardenpakete schnüren – würden dann in den nächsten sechs Jahren genauso viele Menschen im Mittelmeer ertrinken wie in den letzten sechs Jahren, nämlich 17.800? Und wie schön wäre es das Recht auf Leben wirklich allen zuzugestehen, dann würden bald nicht weiter pro Minute 11 Kinder verhungern – 16.000 am Tag, 5,84 Millionen im Jahr, und würden dann im nächsten Jahr auch wieder 100 893 Kinder in Deutschland abgetrieben werden, wie im letzten Jahr, wenn wir gesellschaftlich für die sozialen Indikationen einen festen Willen zur Soforthilfe hätten? Wenn wir weiter achtsam mit unserer Mobilität umgehen würden, dann bliebe die Luft fast so sauber wie jetzt und mit einem reduzierten Flug- und Autoverkehr wäre ein großer Schritt gegen die Erderwärmung für alle getan. Wenn wir in Zukunft unsere Städte nicht mehr vor den Touristenheeren prostituieren würden, dann werden in München weiter die Vögel an der Ludwigstraße singen und in Venedig Fische durch die Kanäle schwimmen.

Warum nehmen wir uns offensichtlich nur in manchen Problemlagen zurück? Und in welchen sind wir bereit zu persönlichen Einschnitten? Wir sind offensichtlich in der Mehrheit dann bereit uns einzuschränken, wenn wir selbst betroffen sein könnten – und dahinter steht nichts als Angst. Und die ist auf Dauer keine gute Lehrmeisterin – denn sie schließt den Menschen in sich selbst ein und lässt ihn Unterschiede machen: Im Blick auf mich und vielleicht noch meinen Nächsten Partner schränke ich mich ein, weil ich Angst habe es könnte meine Familie und mich treffen – aber dem Dritten, dem ich am Nudelregal bei Aldi begegne, dem krätsche ich rein um die letzten 30 Packungen Spaghetti für meine zweiköpfige Hausgemeinschaft zu bekommen, wenn es schon keine Klopapier mehr gibt.

Das sind zwei Dinge die wir aus diesen Tagen mitnehmen können: In keiner Notlage, keiner Krise darf Angst unsere Motivation des Handelns sein, sondern das Wohl des Nächsten (und das das geht, macht uns die bayerische Staatsregierung wirklich vor, wir können unser Land verändern, wir können zusammenstehen und da sitzen Leute die wirklich regieren können! ) das Christus uns vorgelebt hat – denn ein Handeln in Angst, das führt zu Egoismus, zu Zwangsneurosen und auf längere Sicht zur Ungerechtigkeit den anderen gegenüber.

Bleiben wir ruhig und gefasst – dann sehen wir zum zweiten auch nicht nur dieses eine Problem als einen Ort zum Handeln, sondern sehen die ganze Wirklichkeit, die auch immer in unsere Verantwortung fällt, weil wir alle Geschöpfe Gottes sind. Aus diesem Glauben heraus sollen wir die Welt begreifen und dieser lehrt uns: Ruhig auf Gott vertrauen, die Wirklichkeit ehrlich anschauen, im Gewissen meine Verantwortlichkeit prüfen und meine Mit-Schuld sehen, damit aber auch meine Möglichkeiten zu Hilfe und Verzicht – und wir sehen es in diesen Tagen: Wir können die Welt verändern, wenn wir wollen – und wenn die Motivation dazu nicht mehr aus der Angst, sondern aus der Liebe kommt, wie stark wären wir da erst?!

Durch den Glauben sollen wir sehen, nicht nur durch das Ertasten von einigen Indizien über den Zustand der Welt. Denken wir immer an die ersten Worte des Auferstandenen: Fürchtet euch nicht! Wenn wir das beherzigen gehen wir stark in der Krise weiter und dann als Kinder Gottes befreit aus ihr heraus. Und unter uns Kindern Roms: Vor dem Tod brauchen wir seit Ostern damals keine Angst mehr haben – also vor was sollten wir dann noch Angst haben? Nur davor nicht wirklich gelebt zu haben – und davor, es anderen nicht nach unseren Kräften ermöglicht zu haben! Amen.